Einschlafen? Durchschlafen? Haare raufen!
Einschlafen? Durchschlafen? Haare raufen!
Ich habe es bereits in mehreren meiner vorherigen Blogbeiträge erwähnt: Das Thema Schlafen – wohl eher Nichtschlafen – ist bei uns ein Dauerbrenner. Dabei ähnelt die Problematik einem Medusa-Kopf: Sobald sich ein Übel verliert, wächst das nächste nach.
Als Karlchen noch ein Baby war, entpuppte sich das Einschlafen als wiederkehrendes, riesengroßes Dilemma. Der kleine Kerl hatte nicht die geringste Lust, sich ins Land der Träume zu verabschieden. Klar, die Nacht war im Vergleich zum Tag, an dem sich wahre Welten für ihn aufgetan hatten, absolut langweilig.
Also verwandelte er sein Bettchen in eine Partyhütte. Hellwach sprang und lachte er vor sich hin, während Mama und Papa – vor lauter Übermüdung mit Augenringen bis zum Bauchnabel gezeichnet – verzweifelt versuchten, Karlchen zum Einschlummern zu bewegen – erfolglos.
Egal, ob singen, herumlaufen, kraulen oder alles gleichzeitig – keine der Maßnahmen sorgte für schnelle Abhilfe. Meinem Mann und mir blieb also keine andere Wahl, als die Zähne zusammenzubeißen und zu hoffen, dass wir in der Will-nicht-schlafen-Wüste eines Tages auf die Endlich-schlummern-Oase stoßen würden. Diese kam tatsächlich – in Form des Kindergartens.
Als der Startschuss für die Kita gefallen war, stellten wir zu unserer großen Verblüffung fest, dass diese eine absolute Wunderwaffe gegen das Einschlafproblem war.
Karlchen war von den Eindrücken, die er im Kindergarten gesammelt hatte, so erschöpft, dass ihm sein Bettchen nicht mehr wie ein Folterwerkzeug, sondern wie ein natürliches Narkosemittel vorkam.
Kaum hatten wir ihn hingelegt und zugedeckt, fielen ihm die Augen zu – und wir hätten mit einer Polonaise durchs Haus ziehen können.
Doch natürlich – wie hätte es auch anders sein sollen – hatten wir uns zu früh gefreut.
Als wir nur noch selten damit zu kämpfen hatten, Karlchen zum Einschlafen zu animieren, tat sich für uns ein neues Problem auf.
Nach etwa einem Jahr im Kindergarten verlagerte sich der Konflikt, der monatelang geruht hatte, vom Abend in die Nacht. Von jetzt auf gleich stand der Kleine in seinem Bettchen – hellwach, mit dem Bedürfnis, unsere Liegewiese als neue Partylocation festzulegen. Putzmunter sprang das Kerlchen zwischen uns herum, egal, ob unsere Köpfe, Arme oder Beine im Weg waren.
Eigentlich müssten alle Eltern eine Gefahrenzulage bekommen. Das unkontrollierbare Umherwälzen eines Kindes im Bett kann üble Verletzungen nach sich ziehen – vom blauen Auge bis zu einer Gehirnerschütterung.
Karlchens Spielchen zogen sich jedenfalls gern über eine Stunde, manchmal sogar bis zu zwei Stunden hin, sodass wir letztlich alle drei wach lagen – davon einer quietschvergnügt, mein Mann und ich eher semi-munter.
Mittlerweile kämpfen wir bereits sein gesamtes drittes Lebensjahr mit der nächtlichen Problematik. Der permanente Schlafmangel hat sich in eine Dauerbaustelle verwandelt, die uns sämtliche Kräfte raubt.
Selbst wenn Karlchen unser Bett nicht in eine Partyhöhle verwandelt, verhält er sich zwar still, wälzt sich jedoch unruhig von einer auf die andere Seite – mit rotierendem Kopf und zappeligen Füßchen, mit der Gefahr, diese in unser Gesicht zu befördern –, womit wir wieder beim Thema der Unfallgefahr wären.
Natürlich gibt es neben dem nächtlichen Hochschrecken, das wir auf nicht verarbeitete Tageserlebnisse zurückführen, auch andere Gründe für Karlchens Erwachen.
Wenn beispielsweise eine Krankheit anrollt, er Fieber hat oder an Wachstumsschmerzen leidet – die echt übel sind, das weiß ich aus meiner eigenen Kindheit –, ist Schlaf genauso unrealistisch wie Weltfrieden.
Mit Karlchen zwischen uns kauere ich auf einer Fläche von gefühlt zehn Zentimetern – oft ohne in den Schlaf zurückzufinden, was ein absoluter Energiekiller ist. Mitten in der Nacht aus dem Tiefschlaf gerissen zu werden – und das regelmäßig –, ist alles andere als gut für die dringend nötige Erholung.
Seit Monaten macht mir diese fehlende Energie wiederholt Striche durch die Rechnung. Meine Schreibprojekte sind nach hinten gerückt, sodass sich die Veröffentlichung meines zweiten Buchbabys um ganze acht Wochen verschoben hat. Und nicht nur das. Meine Konzentration, auf die ich beim Schreiben angewiesen bin, gleicht oft einer Nulllinie, sodass ich entweder nichts Vernünftiges zu Papier bekomme oder viel zu lange dafür brauche.
Am Ende unserer sich nach Schlaf verzehrenden Nerven suchen wir dringend nach dem Schlüssel, der die Lösung für unser Problem ist – ohne Erfolg.
Ich hätte es niemals für möglich gehalten, eines Tages in die Situation permanenten Schlafmangels zu geraten. Aus meinen ersten Blogbeiträgen weißt du ja, wie sehr ich Schlummern vor Karlchens Geburt zelebriert habe. Während ich den Schlaf, der mir dank meiner damaligen ungesunden Arbeitszeit gestohlen wurde, am Wochenende habe nachholen können, fehlt mir nun diese Option. Mit Kind wird das Wort Wochenende nämlich aus dem Vokabular gestrichen.
Lustigerweise neigt Karlchen nicht unbedingt dazu, an diesen zwei so existenziellen Tagen der Woche länger zu schlummern. Während wir ihn im Alltag regelrecht aus dem Bett zerren müssen, tickt seine innere Uhr augenblicklich anders, sobald der Samstag anbricht. Unser Schlafdefizit auszugleichen, ist somit schier unmöglich.
Was gleichermaßen utopisch ist, ist die Mission Übernachtung bei den Großeltern. Als Karlchen ein Jahr alt war, hat das aushäusige Schlummern wunderbar funktioniert und für wahre Freudenstürme bei meinem Mann und mir gesorgt. Doch dieses Konzept geht seit geraumer Zeit nicht mehr auf. Sobald Karlchen auch nur die Wörter woanders übernachten aufschnappt, heulen sämtliche Sirenen bei ihm los – ihn eingeschlossen.
Manchmal, wenn ich vor lauter Schlafmangel unzurechnungsfähig und schlecht gelaunt bin, frage ich mich, ob der kleine Kerl das mit Absicht macht. Ob das Ziel dahintersteckt, Mama und Papa mürbe und nachgiebiger werden zu lassen.
Obwohl ich natürlich weiß, dass das absoluter Blödsinn ist und Karlchens nächtliches Aufschrecken andere Ursachen hat – die ich wirklich gern näher ergründen würde –, hilft uns das bei der Bewältigung des Problems kein bisschen weiter.
Wie gern würde ich an dieser Stelle mit einer positiven Wendung um die Ecke kommen oder die Lösung präsentieren, die vom Himmel gefallen oder mir als Geheimtipp zugespielt worden ist. Aber leider kann ich das nicht.
Stattdessen habe ich die wiederholte Befürchtung, dass es auch hierfür – mal wieder – kein Heilmittel, kein Wunderwissen gibt, das uns in diesem Fall – schnipp – den Schlaf zurückbringt. Ganz offensichtlich müssen wir das machen, was wir auch schon getan haben, als es um die Einschlafproblematik ging: Augen zu und durch(schlafen) – und hoffen, dass die Nächte irgendwann wieder erholsamer sein werden.