Verglichen verzweifelt - Verzweifelt verglichen

Karlie Lennox • 28. Mai 2025

Verglichen verzweifelt - Verzweifelt verglichen

Eigentlich bin ich ein Mensch, der lieber gegen den Strom schwimmt als mit ihm – so auch bei der Meinungsbildung. Ich lasse mich nicht davon beeindrucken, was die Mehrheit denkt, sondern werfe selbst einen Blick auf die Fakten – egal, wie sehr ich von meiner Umwelt, sei es Mensch oder Media, eingeseift werde.

Doch gibt es durchaus Themen in meinem Leben, bei denen ich verstohlen zu anderen schiele. Die mich unsicher machen und die leise Frage aufwerfen, ob der Weg, den ich gewählt habe, der richtige ist.

 

So auch, wenn es um Karlchen geht. Du weißt ja schon aus meinen letzten Beiträgen, dass mein Sohn ein Spätzünder ist. Er hat sich Zeit gelassen, zu krabbeln, zu laufen und zu sprechen.

Doch während seiner Entwicklungsprozesse – auch heute noch – passiert ebenso etwas mit mir. Ein Automatismus tritt in Gang – der total dämlich ist, den ich aber nicht verhindern kann: Ich vergleiche. Ich beobachte andere Kinder und nehme kritisch wahr, wie weit sie schon sind, was sie bereits können – und Karlchen nicht.

 

Hui, der Junge kann ja schon Fahrrad fahren oder Mensch, die Kleine schreibt schon allein ihren Namen sind genau die Sätze, die mir dann durch den Kopf rasseln und das bittere Gefühl von Macht- und Ahnungslosigkeit auslösen.

Ist Karlchen entwicklungsverzögert? Muss ich mir Sorgen machen? Sollten wir uns professionelle Hilfe suchen? Ist es meine Schuld? Sollte ich ihn mehr fördern?

Und – schwups – fahre ich eine Runde mit dem Gedankenkarussell, das Sorgen und Zweifel vom verstaubten Boden aufwirbelt.

 

Nein, mein Kind ist mit seinen drei Jahren noch nicht trocken. Und Karlchen klettert auf dem Spielplatz auch nicht wie Mini-Spiderman herum. Und nein, er macht nicht immer von allein das, was von ihm erwartet wird.

Bei anderen Kindern scheint immer alles so einfach, so selbstverständlich. Da gibt es offenbar keine Diskussionen, keine Trotzphasen. Die Kleinen tun stets das, was sie sollen, und können auch die Dinge, die Kinder in einem bestimmten Alter können müssen – so haben es sich Herr und Frau Schlaumeier jedenfalls ausgedacht. Denn ich habe das Gefühl, dass es oft allein diese Statistiken und Tabellen sind, deren Dasein ausreicht, um Panik auszulösen.

 

Sobald es nämlich – zumindest augenscheinlich – in der Entwicklung hakt oder Karlchen nicht das macht, was von ihm erwartet wird, kommt automatisch der Verdacht auf, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein kann.

Nein, Karlchen ist nicht der Lauteste. Er kommt morgens nicht in den Kindergarten und schreit Hallo, hier bin ich! Und schon gar nicht ist er derjenige, der frech wird oder sich das Spielzeug von anderen Kindern zurückholt, wenn es ihm gemopst wurde.

Hand aufs Herz – dass er in solchen Situationen lieber in die Defensive geht, anstatt auf den Tisch zu hauen, bereitet mir Kopfzerbrechen. Besonders dann, wenn ich zu anderen Kindern schiele, die jedem Konflikt spielend zu trotzen scheinen. Nicht nur, dass ich in die fatale Vergleichsfalle tappe, ich verspüre auch immensen Druck – und Angst. Angst, mein Kind nicht in die Richtung zu pushen, in die es hinsoll. Angst, meinen Job als Mama zu versemmeln.

Und Karlchens Entwicklung ist nicht das einzige Thema, das meine Gedanken unruhig rotieren lässt, bei dem ich ständig in die Gegenüberstellung springe.

 

Genauso geht es mir beim Selfpublishing. O Mann, der Autor hat in einem Monat so viele Bücher verkauft. Wie kann das sein, wenn ich innerhalb von einem halben Jahr noch nicht mal annähernd an der Zahl kratze?

Und das Buch von der Autorin ist ja viel sichtbarer als meins. Sie hat schon über dreißig Bewertungen, während ich noch nicht mal die Hälfte zusammenbekomme.

Oh. Mein. Gott. Ich werde mich eines Tages noch zu Tode vergleichen. Warum ist das so? Und geht es nur mir so? Warum müssen wir uns immer mit anderen messen? Warum haben wir stets das Gefühl, dass andere schneller, klüger, schöner sind als wir? Dass es ihnen besser geht als uns, es bei ihnen rundläuft?

 

Egal, worum es geht, ob nun um das Thema Kindesentwicklung oder Selfpublishing, alle roten Fäden enden bei einem Oberbegriff, einer Charaktereigenschaft, die jegliche Bereiche dominiert: Unsicherheit.

Natürlich wird es nicht allen so ergehen wie mir. Es gibt Menschen, die mit Scheuklappen durchs Leben laufen und sich nicht von irgendwelchen Normen beeindrucken lassen – Chapeau!

Ich gehöre leider nicht dazu. Obwohl mich der Mainstream mit seinen mal kürzer, mal länger anhaltenden Trends grundsätzlich nicht beeindruckt, trifft es mich dafür umso mehr, wenn es in den Bereichen nicht gut läuft, die mir am Herzen liegen.

Sei es nun Karlchens Entwicklung oder mein (bisher fehlender) Erfolg als freiberufliche Autorin, beides ist mir wichtig, wobei mein Kind ganz klar an erster Stelle steht.

 

Ob Karlchen nun Frühstarter oder Spätzünder, Engel oder Bengel ist – ich liebe ihn so, wie er ist. Ich möchte, dass es ihm gut geht, dass er glücklich ist. Unabhängig von irgendwelchen Experten, die große Erwartungen schüren. Jedes Kind ist individuell. Somit ist es fast unmöglich, als Außenstehender ein Urteil zu fällen. Meinungen und Fingerzeige gibt es viele, aber niemand kennt mein Kind so gut wie ich.   

Karlchen soll leichtfüßig durchs Leben gehen, ein Eigenbrötler sein dürfen, ohne unter dem Druck allgemeiner Normen zusammenzubrechen – und ohne dass es allen gefällt.

 

Was ist schlimm daran, langsam und zurückhaltend zu sein? Warum gelten diese Eigenschaften als Schwächen? Und wer sagt, dass es besser ist, schnell und vorlaut zu sein? Warum müssen wir alle einem vorgegebenen Muster entsprechen, einer Statistik, in die wir hineingequetscht werden?

Jeder Mensch, jedes Kind ist in seinem Wesen einzigartig. Der eine flotter, der andere zögernder. Der eine schüchtern, der andere keck.

Die Entwicklung eines Kindes sollte kein Wettkampf sein. Es geht nicht darum, wer als Erster laufen, sprechen, schreiben, lesen, schwimmen kann. Es geht darum, sein Kind durchs Leben zu begleiten, ihm Vertrauen zu schenken, es zu bestärken und zu loben – egal, wie klein und alltäglich die Dinge auch sein mögen. Nur so kann es an sich glauben und sein Selbstbewusstsein wachsen. Druck ist dabei unnütz wie desaströs und macht im schlimmsten Fall alles nur noch schwerer.

 

Kinder sollten Kinder bleiben, und wenn das eine noch nicht so weit ist wie das andere, ist noch lange keine Panik angesagt. Irgendwann wird es die fehlende Stufe erklimmen und sich an die nächste wagen – und falls nicht, ist es vollkommen okay, sich Unterstützung zu holen. Ein bisschen Nachhilfe hat noch keinem geschadet.

Als Mama glaube ich an mein Kind, und Karlchen fühlt diesen Rückhalt. Nur auf diesem Weg wird er über sich hinauswachsen – ganz egal, was andere sagen, denken, meinen.

 

Ich gebe zu, beim Thema Selfpublishing habe ich noch nicht verinnerlicht, dass der ständige Vergleich sinnlos ist. Dass es egal ist, wo andere Schreibende stehen, wie viele Follower sie haben oder wie viele Bücher sie verkaufen.

Manchmal kratzt mich das überhaupt nicht, doch dann gibt es Tage, an denen ich wieder in den Strudel des vernichtenden Zweifels gezogen werde und mein Können infrage stelle. Das soll nicht heißen, dass ich neidisch auf andere bin – im Gegenteil, ich freue mich für alle Schreiberlinge, die Erfolg haben. Es geht dabei allein um mich und das Gefühl, das in mir ausgelöst wird.

 

Ich weiß, dass das Schreiben ein Prozess ist. Eine Entwicklung, die mich täglich Neues und Wertvolles lehrt, in der ich – die ungeduldigste Frau unter der Sonne – lernen muss, Durchhaltevermögen zu beweisen, anstatt alles hinzuschmeißen.

Auch wenn es immer wieder ein Auf und Ab, ein Wechselbad der Gefühle, sein wird, muss ich eins begreifen: Es geht nicht ums Vergleichen, das Wetteifern mit anderen. Natürlich spornt mich das in gewisser Hinsicht an, noch mehr zu geben, noch besser zu werden, doch sollte es nicht krankhaft oder gar zerstörerisch sein.

Wie auch beim Thema Kindesentwicklung geht es um den Menschen an sich. Jeder ist ein humanes Unikat, auf seine Weise einmalig.

Nun ist es an der Zeit, an mich zu glauben, zu erkennen, zu akzeptieren, dass ich genauso gut bin wie alle anderen.


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