Der Kindergarten - das Betreten einer neuen Welt
Der Kindergarten - das Betreten einer neuen Welt
Als Karlchen zwei Jahre alt wurde, hat sich für uns als Familie eine neue Ära aufgetan: Der Kindergarten ging los.
Bereits vor seiner Geburt stand für uns fest, dass Karlchen möglichst früh mit anderen Kindern zusammenkommen und daher zeitnah das Licht der Kita erblicken sollte.
Als es dann so weit war, konnten wir das Ganze glücklicherweise ohne Druck angehen, da ich noch nicht zurück in meinen Beruf musste.
Allerdings betrachteten nicht alle unser Vorhaben optimistisch. Die lieben Großeltern – die ohnehin stets alles besser wissen – hakten immer wieder mit kritischem Unterton nach, ob es für Karlchen nicht zu früh sei. Die kurzzeitige Abnabelung würde ihrer Meinung nach mehr schaden als helfen.
Natürlich ist es nicht gerade von Vorteil, dass es – anders als in Filmen – in Sachen Kita-Auftakt keine FSK-Angabe gibt, nach der sich alle Eltern richten können. Somit blieb uns nur die Option, auf unser Bauchgefühl zu hören und eigene Erfahrungen zu berücksichtigen – und das taten wir.
Ich selbst kam – wie es damals gang und gäbe war – mit drei Jahren in den Kindergarten – und war todunglücklich. Du musst wissen, dass ich bis dato weder Krabbel- noch Spielgruppen gekannt hatte. Ich war ein absolutes Mama-Kind und hatte nicht die geringste Lust, meine Zeit mit fremden Kindern und Erwachsenen zu verbringen.
Aus diesem Grund wollte ich es bei Karlchen unbedingt anders machen. Ich nahm alle Krabbel- und Spielgruppen mit, um ihn bestmöglich an andere Kinder zu gewöhnen – und trotzte den Zweiflern. Die Operation Kindergarten wurde planmäßig an Karlchens zweitem Geburtstag durchgezogen.
Ich kann gar nicht sagen, wer beim Startschuss aufgeregter war: mein Kleiner oder ich. Da er wohl weniger auf dem Schirm hatte, dass nun ein neuer Alltag für ihn anbrechen würde, war demnach ich diejenige, die zappelig vor den Toren des Kindergartens stand.
Doch die Tage der Eingewöhnung verliefen entspannt. Ich saß mal abseits, mal inmitten der Mäuse und beobachtete neugierig das laute Treiben um mich herum, und natürlich wie sich mein Kleiner so schlug.
Bei der ersten richtigen Trennung hörte der Spaß dann auf. Während es zuvor lediglich Versuche gegeben hatte, bei denen ich maximal eine Stunde außer Sichtweite, aber dennoch in der Nähe gewesen war, musste ich nun durch den ungemütlichsten Teil: die Übergabe.
Bei Karlchen hat es knapp drei bis vier Wochen gedauert, bis wir beschlossen, ihn der Kita für zwei Stunden allein zu überlassen.
Der Moment hat mir wirklich das Herz zerfetzt – das muss ich an dieser Stelle klipp und klar sagen.
Als ich den Rückzug antreten musste, weinte Karlchen auf dem Arm der Erzieherin dicke Tränen und streckte seine Ärmchen verzweifelt nach mir aus. Allerdings war ich nicht diejenige, die ihn trösten konnte. Schweren Herzens und mit einem dicken Kloß im Hals verließ ich die Einrichtung.
Ich muss gestehen, dass ich ein Mensch bin, der schnell dazu neigt, ein schlechtes Gewissen zu bekommen – egal, ob begründet oder unbegründet. In den ersten Tagen des Kindergartenalltags war das nicht anders.
Allein der Gedanke, dass Karlchen vielleicht leiden könnte, hat mir schwer im Magen gelegen, sehr schwer.
Der kleinen Maus war beim Betreten der Kita natürlich klar, dass Mama gleich wieder den Rückzug antreten würde, das Tränenmeer also vorprogrammiert – bei ihm und bei mir. Während er seinen Unmut deutlich kundtat, habe ich meine Gefühle bis zum Verlassen des Gebäudes versteckt.
Doch habe ich mir vor Augen gehalten, dass es nicht anders geht: So schwer es auch sein mag, ich mache es für ihn, damit er sich einfacher und schneller in eine Gruppe einfügen kann. (Nicht nur) für Karlchen ist der regelmäßige Kontakt mit anderen Kindern unglaublich wichtig. Gerade als Einzelkind und ohne Cousins und Cousinen in seinem Alter braucht er die Gruppe. Andere Kinder, von denen er so unglaublich viel lernen kann. Auch dass Mama nicht immer da sein kann, dass es normal ist, sich eine Zeit lang abzunabeln. Zumal der Kindergarten ja keine Folterkammer ist. Ich habe während Karlchens Eingewöhnung mit eigenen Augen beobachtet, wie schnell sich die Kinder beruhigen, nachdem die Eltern die Einrichtung verlassen haben. Der Gedanke war stets sehr tröstlich für mich.
Und noch etwas hat es mir leichter gemacht: das Vertrauen zu den Erzieherinnen.
Ich habe gelernt, dass Aspekte wie eine schöne, moderne Einrichtung oder wie viele Spielsachen den Kindern zur Verfügung stehen bei der Frage, ob Karlchen in der Kita gut aufgehoben ist, überhaupt nicht ausschlaggebend sind. Viel wichtiger sind die Erwachsenen, die ihn dort umgeben. Mein Bauchgefühl war gut, und da ich stets auf mein Gefühl höre, vertraue ich darauf, dass Karlchen dort glücklich ist.
Die Kita-Zeit hat uns definitiv einige Veränderungen beschert, von denen manche gut und andere semi-gut sind.
Fangen wir mit einem negativen Aspekt an: Die Zahl unserer Arztbesuche kratzt seit dem ersten Kindergartenjahr an der Rekordgrenze.
Karlchen war gerade ein paar Tage in der Kita und schon hatte es uns beide niedergerafft. Nach der langen Coronazeit und den dann aufeinanderprallenden Viren, für die das eine Riesenparty gewesen sein muss, hatte ich so gut wie keine Abwehrkräfte mehr. Und auch Karlchens Immunsystem musste erst einmal aufgebaut werden. Angeblich seien zwölf bis vierzehn Infekte im ersten Kita-Jahr normal – was ich stets angezweifelt hatte. Doch ist das leider die Wahrheit. Kaum ist die eine Krankheit auskuriert, steht die nächste auf der Matte. Wir hatten bereits mehrmals Bronchitis, Magen-Darm und eine dicke Bindehautentzündung. Das ist die unschönste Begleiterscheinung des Kindergartens.
Dennoch gibt es einige positive Nebenwirkungen, die ich nicht vorenthalten möchte.
Karlchens Entwicklung zum Beispiel. Zugegeben, er ist ein echter Spätzünder. Egal, ob Krabbeln, Laufen oder Sprechen: Karlchen ist immer einer der Letzten, bei denen der Durchbruch kommt. Doch wenn er einmal anfängt, schießt er wie eine Rakete in die Luft. Und seitdem er im Kindergarten ist, geht seine Entwicklung noch rasanter voran. Er schaut sich sehr viel von den anderen Mäusen ab und profitiert dadurch. Hände waschen, allein essen, an- und ausziehen – Karlchen ist selbstständiger geworden und führt mittlerweile wesentlich mehr Sachen in Eigenregie aus.
Auch in puncto Sozialverhalten hat er einiges dazugelernt. Natürlich nicht nur die guten Sachen wie Teilen oder Fürsorge, sondern auch allerlei Quatsch. Aber das gehört nun mal dazu und kann mitunter sogar witzig sein.
Das ist aber noch nicht alles. In einem früheren Beitrag hatte ich erwähnt, dass Karlchen zur Sorte der schüchternen Kinder gehört. Gewiss ändert die Kita nicht gleich seinen ganzen Charakter – das soll sie auch nicht –, doch dank ihr ist er offener geworden. Für ihn war es immer ein Graus, wenn ihm ein anderes Kind zu nahe kam. Diese Angst ist inzwischen rückläufig, was toll ist und mich glücklich macht. Auch wenn er nach wie vor kein Fan des allgemeinen Gruppengefüges ist, hat er bereits einen großen Fortschritt hingelegt.
Womit wir anfangs – abgesehen von den Krankheiten – noch zu kämpfen hatten, war Karlchens Frust. Sicherlich ist es schwer für ihn, zu verstehen, warum Mama und Papa ihn auf einmal für ein paar Stunden zu Fremden geben. Das äußerte sich dann durch Hauen, Kratzen, Kneifen und Beißen. Ich muss gestehen, dass mir in solchen Momenten oft die Tränen in die Augen schossen. Von seinem eigenen Kind so fies gebissen zu werden, dass der Abdruck tagelang zu sehen ist, ist alles andere als lustig.
Wahrscheinlich wird Karlchen immer wieder Phasen durchleben – mal mehr, mal weniger anstrengende. Auch das habe ich mittlerweile gelernt und in einem Blogbeitrag verarbeitet.
Nach einem Urlaub warten jedes Mal schwierige Tage auf uns. Während wir – zugegeben – durchatmen, wenn es nach mehrtägigem Dauerbespaßungsprogramm in den Alltag und somit in den Kindergarten zurückgeht, ist es für Karlchen der pure Horror. Wieder wird er von Mama und Papa fortgerissen, die ihn in der Zeit doch so prima entertaint haben. Natürlich habe ich Verständnis für seinen Frust, auch wenn das anstrengend ist. Von jetzt auf gleich verwandelt er sich in das krasse Gegenteil der Version, die mit im Urlaub war. Ade kleiner Engel, hallo little Diva. Sämtliche Launen werden an uns ausgelassen. Aber auch da müssen wir durch – mit dem Wissen, dass diese Phase nach ein paar Tagen vorbei ist.
Doch möchte ich den Faktor nicht vergessen, der ganz weit oben auf der Pro-Seite steht, wenn der Startschuss für den Kindergarten fällt: mehr Me-Time!
Nachdem wir vollends im Kita-Alltag angekommen waren und sich Karlchen eingelebt hatte, war ich verblüfft, wie viel Zeit ich auf einmal wieder für mich zur Verfügung hatte.
Sobald es meine anderen Pflichten zulassen, schwinge ich mich an meinen Schreibtisch und versuche mein Dasein als Selfpublisherin weiter voranzutreiben – ohne dass nach mir krakeelt wird.
Wer meine vorherigen Blogbeiträge gelesen hat, weiß, wie freiheitsliebend ich vor Karlchens Geburt war. Nun ein paar Stunden ungebunden zu sein, lässt mich fast eine Parade abhalten. Es ist ein Geschenk, ein zurückgewonnenes Stück Freiheit.
Der Auftakt des Kindergartens ist ein aufregender und wertvoller Abschnitt. Ich bin erleichtert, dass Karlchen gut angekommen ist und sich dort wohler fühlt, als es bei mir damals der Fall war. Diese Befürchtung hatte nämlich für Bauchschmerzen bei mir gesorgt.
Umso gespannter bin ich nun, was die nächsten Jahre für uns bereithalten, wie Karlchens Entwicklung voranschreiten wird. Ich wünsche mir sehr, dass er seine letzte Scheu verliert und es eines Tages normal und vor allen Dingen schön für ihn sein wird, Teil einer Gruppe zu sein.
Am allermeisten zählt jedoch, dass er ein glückliches Kind ist. Für alles andere werden wir eine Lösung finden …